Freitag, 20. Mai 2011

Arbeiterdasein

Was passiert, wenn man 7 Backpacker alleine auf einer riesigen Farm arbeiten lässt? Das:


Nach 2 1/2 Wochen Quadfahren und harter Arbeit, hatten wir von Sonntag bis Dienstag frei und arbeiten nun wieder seit drei Tagen auf der Pekan-Nuss Farm. In den letzten Wochen habe ich das harte Leben eines Wanderarbeiters kennengelernt: Arbeiten, essen und schlafen. Egal ob bei der Baumwollernte oder in den Baumwollfabriken, wo die meisten Arbeiter hier in Moree  arbeiten, die Produktion läuft 24 Stunden am Tag, 7 Tage pro Woche von Mai bis September. Das bedeutet 12 Stunden Schichten und höchsten alle zwei Wochen zwei Tage frei, fünf Monate lang. Die Meisten kehren nach dieser Zeit mit einem Haufen Geld zu ihren Familien zurück, manche ziehen in die nächste Stadt und arbeiten dort weiter.
Meiner Meinung nach verkauft jeder Arbeiter einen Teil seiner Lebenszeit durch diese Art von Arbeit, denn man lebt schließlich nur um zu arbeiten. Die Arbeit beginnt/endet um sieben Uhr morgens, je nachdem in welcher Schicht man arbeitet. Das Mittags- bzw. Mitternachtsessen wird vom Arbeitgeber geliefert, sodass man sich zu Hause nur noch waschen und ausschlafen muss.

Ich habe bis jetzt "nur" zehn Stunden täglich gearbeitet, 17 Tage am Stück und gemerkt, wie die eintönige, auslaugende Arbeit nach und nach jede Motivation abends noch etwas Sinnvolles zu tun (wie z. B. ein Buch zu lesen, oder über etwas kompliziertes nachzudenken) aus einem heraussaugt. Stattdessen kocht man etwas Simples und Sättigendes und freut sich auf ein kühles Bierchen vor dem Fernseher. Der einzige Gedanke, der mich noch bei Laune hält: Ich lebe nicht um zu arbeiten, sondern arbeite um zu leben! Für mich hat dieser Spaß hier in wenigen Wochen ein Ende und ich kann jeden einzelnen Dollar mit größtem Genuss und bestem Gewissen auf meiner Reise ausgeben. Für die Nicht-Backpacker ist Wanderarbeit jedoch die einzige Möglichkeit, trotz ihrer nicht vorhandenen Qualifikationen an viel Geld zu kommen. In Deutschland oder jedem anderen Land würde man für diese Art der Arbeit vlt. 4-6 € pro Stunde bekommen. Ein australischer Arbeiter in einer Baumwollfabrik verdient jedoch in den ersten acht Stunden 25 A$/h und danach ca. 35 A$/h das sind ca. 2400 A$ pro Woche von denen nur 13 % Steuern abgeführt werden müssen. Und für die Rente bezahlt der Arbeitgeber nochmal 10 % oben drauf in einen Fond. Der Stundenlohn ist für australische Verhältnisse eher lächerlich (ein normaler Elektriker bekommt 70 A$/h), aber gerade die Möglichkeit so viele Stunden pro Woche zu arbeiten ohne jegliche Art von Ausbildung zu haben macht diese Arbeit so beliebt.
Auf unserem alten Campingplatz haben wir mit den älteren Wanderarbeitern Steven und Frank gelebt. Beide waren ca. 55 Jahre alt und bei den ganzen "contractors", welche Arbeiter für Farmen rekrutieren, schon lange abgeschrieben. Wie wichtig es doch ist studieren zu können!

Die Arbeit auf der Nussfarm ist für mich der Traumjob schlechthin. Statt in einer Fabrik am Staub zu ersticken oder bei der Bauwollernte in der Sonne zu braten fahren wir im Moment mit zwei 30 Jahre alten Traktoren und jeweils zwei Trailern hinten dran durch den menschenleeren künstlichen Wald und sammeln Stöcker ein. Sieben übermütige Backpacker unbeobachtet und überbezahlt an Maschinen, die sie noch nie vorher bedient haben. Das Unglück war vorprogrammiert und gleich am zweiten Tag blieb einer der Trailer (wer weiß schon, dass Anhänger nen kleineren Wendekreise haben, als das Zugfahrzeug selber) an einem wertvollen Pekannussbaum hängen und riss einen großen Teil des Stammes ab. Am dritten Tag schafften wir es einen der Trailer unbrauchbar zu machen, indem wir die Hydraulik des Kippmechnismus nicht richten einfuhren und mit einer Stahlplatte, die sich gegen einen Reifen drückte, 500 Meter gefahren sind. Kein Wunder, dass der Reifen nach kurzer Zeit in Brand geraten ist und danach explodierte.
Mit drei Trailern konnten wir unsere Arbeit gut fortsetzten, auch wenn die Pausen zwischen dem Beladen länger wurden, was uns verständlicher Weise nicht sehr gestört hat.
Mittlerweile fürchteten wir schon um unseren Job, obwohl keiner der Unfälle unser Verschulden war. So wurden wir doch nicht richtig in die Bedienung der Traktoren eingeführt und hatten unsere Arbeit bis dahin immer gut erledigt.
Dann kurz vor der Mittagspause des dritten Arbeitstages hört ich einen Knall und sah eine Staubwolke hinter unserem Transportbus (einem sehr alten Mazda Bus mit Klo hinten dran) aufsteigen. Ok, nicht schlimm, sicher war wieder einer der Anderen mit einem Trailer an den Bäumen hängen geblieben. Doch nach einigen Sekunden kam mir die Einsicht, dass hinten dem Bus keine Bäume waren und sich dort nur ein ENTWÄSSERUNGSGRABEN!!!! befand. Der Staubwolke folgend rannte ich los, um hinter den Bus schauen zu können. Den Anblick, der sich mir bot, könnt ihr auf dem Foto oben sehen.
Mein deutscher Freund Tobi ist, nachdem die Lenkung blockierte, direkt in den Graben gefahren und konnte sich nur mit einem Sprung aus dem Traktor vor ernsthaften Verletzungen retten. Panik stand uns ins Gesicht geschrieben, jetzt werden wir alle gefeuert, diesen Job können wir vergessen. Wie kann man einen solchen Unfall den Managern erklären?? Die Backpacker haben es geschafft den Traktor zu schrotten...

Nach fünf Minuten war der erste Schock überwunden und wir hatten uns an dem Anblick des qualmenden völlig ruinierten Traktors satt gesehen. Tobi hatte die glorreiche Aufgabe den Unfall zu melden und zehn Minuten später kamen auch schon die Manager angedüst. Ihre Reaktion überraschte uns alle. Nüchternheit, Bedrücktheit und Erleichterung als sich herausstellte, das Tobi unversehrt ist. Damit hatten wir nicht gerechnet, aber wir haben es verstanden, leider kann ich die Gründe hier nicht öffentlich schreiben. Einfach: Wenn Tobi etwas passiert wäre, dann wären die am Arsch gewesen und zwar richtig!
So hat uns der Farmowner sogar noch angeboten länger für ihn zu arbeiten. Verrückt, oder?
Jetzt genieße ich noch meine freies Wochenende und je nachdem, wie viel Arbeit es in der nächsten Woche gibt, werde ich hier in Moree bleiben oder die Ostküste von Coffs Habour aus hoch reisen. In zwei Wochen fängt die zweite Ernte auf der Pekan-Nuss Farm an, dann werde ich noch einmal ca. 20 Tage durcharbeiten und danach meine Arbeitsklamotten endgültig wegwerfen. :)
Beste Aussichten :)

2 Kommentare:

Ulrich und Lisa hat gesagt…

Total abgefahren, Schule fürs Leben und wir wissen nun, warum die Nüsse in Deutschland so teuer sind :-)

Anonym hat gesagt…

Hallo Robert,

ich habe mit Neugier deinen ausführlichen "Arbeitsbericht" gelesen.
als Backpacker lebt es sich gefährlich.
wünsche dir weiterhin eine schöne und spannende zeit..
Liebe Grüße
Roswitha

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